Auschwitz und ich

Ein paar Wochen vor der Fahrt hatte ich das erste Mal Bedenken, was die bevorstehende Kursfahrt anging. Ich war mir unsicher, ob es sinnvoll wäre, sich direkt nach den Prüfungen einem so harten Thema zu widmen. Schließlich war eigentlich genau jetzt der Moment zum Durchatmen. Schlussendlich bin ich mitgefahren und bin wirklich sehr froh darüber, diese Entscheidung getroffen zu haben.

Zuerst möchte ich kurz auf Krakau eingehen und nicht mit dem Besuch der Gedenkstätte Auschwitz anfangen. An Krakau direkt aufgefallen ist mir, dass man sich überhaupt nicht fremd gefühlt hat. Oft habe ich das Gefühl, erst einmal ein paar Tage zu brauchen, um in einer fremden Stadt überhaupt anzukommen. Auch meine Freunde hatten diesen, durch das Flair der Stadt entstandenen, Eindruck. Ich persönlich finde, dass Krakau sich mit einem Mix aus Wien und Berlin vergleichen lässt. Wunderschöne Architektur und saubere Straßen gemixt mit kaputten Häusern und abgerockten Ecken, an denen plötzlich angesagte Nudelläden oder Second Hand Shops aus dem Boden sprießen. Ich kann mich bei Krakau nicht genau festlegen, was mir am besten gefallen hat. Das Flair der Stadt und die Stimmung, die dort vorherrscht, war einfach sehr schön und angenehm.

Über Auschwitz zu schreiben, fällt mir etwas schwerer, vor allem, einen Anfang zu finden. Das habe ich schon gemerkt, als ich wieder zu Hause war und mit meiner Familie darüber gesprochen habe. Es war sehr anstrengend, über Auschwitz zu reden, wenn noch nicht alle Beteiligten die Gedenkstätte besucht haben. Dann treffen Emotionen auf Faktenwissen, und das erschwert eine Unterhaltung sehr.

Allgemein glaube ich, dass sich bestimmt viele Personen, auch aus unserer Gruppe, Gedanken um ihre Reaktion vor Ort gemacht haben. Auch, ob diese dann angemessen „genug“ ist. Das allerdings war keine meiner Sorgen. Ich persönlich musste bei dem Besuch der Gedenkstätte viel weinen, allerdings bin ich auch ein sehr emotionaler Mensch. Ich hatte schon erwartet, dass mein Gefühl sich durch Weinen äußern wird. Ich möchte nicht sagen, dass Tränen die eine richtige Reaktion sind, aber für mich war es das.

Jeder Mensch muss seinen eigenen Weg finden, um mit der Situation umzugehen, und die Reaktionen können sehr unterschiedlich ausfallen. Es ist wichtig, sich auf die Situation einzulassen und auch seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, auf keinen Fall sollte man seine Emotionen unterdrücken oder nicht zulassen. Auch in unserer Gruppe fielen die Reaktionen unterschiedlich aus, und nur weil man mit jemandem befreundet ist, heißt dies nicht, dass man deswegen auch die gleiche Reaktion aufweist. Ich habe mich in manchen Momenten Personen nah gefühlt, mit denen ich Zuhause in Köln gar nicht so viel zu tun habe.

Ich habe generell ein sehr enges Verhältnis zu meiner Familie, aber insbesondere zu meiner jüngeren Schwester. In einem Raum in Auschwitz sind ganz viele Koffer hinter einer großen Glasscheibe zu sehen. Ein paar Meter daneben steht ein kleiner Glaskasten, darin sieht man ein kleines Kleidchen, Pullover und eine Art von Kinderstrampler. Das Bild hat sich so in meinen Kopf eingebrannt und mich so getroffen. Es fällt mir auch wirklich schwer darüber zu schreiben. Ich kann sagen, dass ich unheimlich traurig war, dass es schrecklich war und dass es unbegreiflich ist, aber trotzdem werden Worte dem Gefühl nicht gerecht.

Genauso einprägsam war für mich die Gedenkstädte Birkenau, wenige Kilometer neben Auschwitz. Dort wurden wir unter anderem durch ein Gebäude geführt, welches früher als Sauna bezeichnet worden ist. Wir sind durch dieses Gebäude gegangen und in einem großen Raum stehen geblieben, welcher voller Fotos und Geschichten war. Man sah Bilder von Familien, Kindern, Paaren, Geschwistern und auch Einzelporträts. Alles Fotos, die von den Menschen bei der Deportation mit nach Auschwitz gebracht worden waren und die von einem ganz normalen Leben erzählen. Es ist unbegreiflich, dass alle diese Menschen ermordet worden sind.

Auf einem Foto waren zwei Schwestern abgebildet, auf einem anderen eine Mutter mit ihrer Tochter. Das war so schrecklich. Wenn ich an diesen Raum und an diese zwei Fotos denke, kommen mir die Tränen. In dem Moment, wo man die Personen und deren Schicksal auf sein eigenes Leben, seine Familie und die Menschen, die man liebt, bezieht, wird man überrollt von seinen Emotionen. Ich habe das zumindest so empfunden, da die Distanz plötzlich wegfällt und man sich selber so schutzlos fühlt. Direkt nach der Gedenkstätte habe ich sofort mit meiner Familie und meiner Schwester telefoniert, das war für mich sehr wichtig.

Ich habe vor längerer Zeit mal gehört, dass manche Menschen fordern, ein Besuch in Auschwitz sollte Pflicht an deutschen Schulen sein. Ich sehe das nach unserem Besuch anders. Das sollte eine Pflicht für alle Schulen überall sein. Jeden Menschen sollte das etwas angehen, unabhängig von seiner Nationalität, Religion, Herkunft, Geschlecht und so weiter. Ich finde, jeder sollte sich mit dem Thema auseinandersetzen und vor allem einmal zur Gedenkstätte Auschwitz fahren. Das ist unter anderem ein Gedanke, den ich mitgenommen habe: Jeder Mensch sollte einmal in seinem Leben die Gedenkstätte Auschwitz besucht haben.

Ich glaube, dass es einen verändert. Den einen vielleicht mehr, den anderen weniger. Mich hat es vor allem noch sensibler gemacht, insbesondere in Bezug auf Rassismus und Feindlichkeit gegenüber anderen. Generell sollte man aufhören, rassistische Witze oder Sprüche mit einem Kopfschütteln abzutun. Ich bin nach der Kursfahrt auf jeden Fall sehr viel hellhöriger und aufmerksamer gegenüber solchen Aussagen oder „Witzen“ geworden.

Die zweite Sache, die mir an mir selber stark aufgefallen ist, ist meine sich ändernde Einstellung zur momentan laufenden Fußballweltmeisterschaft. Ich habe nichts gegen Fußball oder die verschiedenen Mannschaften. Jeder sollte von irgendetwas Fan sein, für das er sich begeistern kann. Aber was mich total stört, ist dieses Hochhalten von irgendwelchen Nationalitäten. Warum muss man jetzt Blumenketten oder Shampoo mit einem Schwarz-Rot-Gold-Print tragen und warum müssen überall Deutschlandfahnen aus Fenstern, Kneipen und Autos wehen. Mich stört das dieses Jahr so stark wie noch nie. Es ist doch keine Leistung, an einem bestimmten Ort geboren worden zu sein. Zusammenfassend möchte ich einfach sagen, dass ich viele Dinge als kritischer wahrnehme als noch zuvor. Ich möchte jetzt auch nicht den Fußballsport runtermachen, schließlich schaue auch ich manchmal gerne ein Spiel, aber es ist mir trotzdem negativer aufgefallen als noch vor ein paar Jahren. Eigentlich verbindet Fußball auch viele Menschen miteinander, weil sie Freude an ein und derselben Sache haben. Ich denke also, dass das Gefühl von Toleranz und Offenheit viel mehr im Vordergrund stehen sollte als irgendwelche Nationalitäten.

Nachdem ich nun so viele Gedanken und Ansichten meinerseits aufgeschrieben habe, möchte ich abschließend noch sagen, wie froh ich bin, dass ich an dieser Kursfahrt teilgenommen habe. Wir hatten eine schöne Unterkunft in einer wunderschönen Stadt und waren wirklich eine gut harmonierende und tolle Gruppe. Ich glaube auch, dass es für mich, abgesehen davon, dass Krakau eine tolle Stadt ist, auch eine sehr bedeutende Fahrt war.

Ich hoffe, dass diese Fahrt auch in Zukunft noch angeboten und vor allem auch wahrgenommen wird. Wie gesagt bin ich der Überzeugung, dass jeder Mensch einmal die Gedenkstädte Ausschwitz besichtigt haben sollte. Ich kann nur jedem in der Oberstufe raten, sich für diese Fahrt zu interessieren und auch teilzunehmen.

 

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