Paula Loeb

von Merlin Pfennig

Im Rahmen des Projektkurses Geschichte an der Königin-Luise-Schule beschäftigen wir uns mit Einzelschicksalen jüdischer Schülerinnen und Lehrerinnen in den 20er Jahren und der Zeit des Nationalsozialismus. Unser Interesse liegt nicht nur darin, mehr über sie herauszufinden, sondern der Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung, ob direkt (selbst betroffen) oder indirekt (Verlust von Familienmitgliedern o.ä.) zu gedenken und ihr Andenken in Form einer Biografie zu wahren.

Paula Loeb stellte sich für mich erst als äußerst knifflig dar, weil es schwierig war, überhaupt die richtige Familie Loeb zu finden, da einige Familien mit diesem Namen in Köln ansässig waren. Durch die Hilfe des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln kam dann jedoch etwas Klarheit in den Fall. So bin ich an ihre Sterbeurkunde sowie ihre „Personalkarte für Lehrerinnen“ gekommen. Dennoch sind weiterhin einige Details ungeklärt. Sowohl auf Seiten wie Ancestry.com oder Geni als auch in den „Historischen Adressbüchern Köln“ habe ich nichts über die Familie gefunden.

Paula Loeb wurde am 19. Juni 1876 in Köln geboren. Der Name ihrer Mutter ist nicht ganz sicher. Teilweise taucht sie als Regine Loeb, geb. Zons, auf, oder auch als Regina Loeb, geb. Zons. Ihr Geburtsdatum, Todesdatum oder ob sie beruflich tätig war, geht aus keiner bis jetzt untersuchten Quelle hervor. Paula Loebs Vater hieß Seligmann Loeb. Er wurde um 1830 geboren, sein genaues Geburtsdatum ist nicht bekannt. Er war Lehrer für Religion an der jüdischen Volksschule in der Schildergasse 82, welche 1922 in die Lützowstraße umzog. Er war durch seine Stellung im Schulvorstand ausschlaggebend für den Wechsel von einer privaten zu einer städtischen Schule, welche ein hohes Ansehen genoss. Paula Loeb hatte zwei Brüder, deren Namen leider ebenfalls nicht bekannt sind, und zwei Schwestern, Emmy Loeb und Sara Loeb.

In Ihrer Kindheit wuchs Paula Loeb in einem von Ihren Eltern bewusst gewählten streng jüdischen Milieu auf, wo religiöse und allgemeine Bildung sowie soziales Engagement sehr wichtig waren. Zu dieser Zeit lebte die Familie Loeb nicht weit von der jüdischen Volksschule in der Schildergasse 82, dem Gebäude, welches die Stadt 1875 für die jüdische Volksschule hatte errichten lassen. Das lässt darauf schließen, dass sie wahrscheinlich nicht genug Geld hatten, sich eine eigene Wohnung in Schulnähe leisten zu können, andererseits könnte es sich auch um eine Dienstwohnung handeln. Ansonsten ist über ihre Kindheit sowie die Kindheit Ihrer Geschwister weiter nichts bekannt.

Paula Loeb hatte sich nach dem Wunsch der Eltern und aus eigenem Interesse entschieden, ebenfalls Religionslehrerin zu werden. Sie absolvierte ihre Ausbildung an der Lehrerinnenbildungsanstalt der Städtischen Höheren Mädchenschule in der St. Apern Straße. Damit ist die Königin-Luise-Schule gemeint, welche vor dem Krieg noch an der St. Apern Straße lag. Dabei handelte es sich um die einzige Ausbildungsstätte für Lehrerinnen zu dieser Zeit in Köln. 1895 machte sie dort dann auch ihr Examen. Über ihre Zeit an der Königin-Luise-Schule ist leider nichts Weiteres bekannt. Zu dieser Zeit lebte sie, so lässt sich mutmaßen, immer noch mit ihren Eltern in der Schildergasse 82, da ihre Eltern weiterhin Lehrer der jüdischen Volksschule waren. Nach Abschluss ihres Examens 1895 begann sie dann direkt an der, zu diesem Zeitpunkt schon städtischen, jüdischen Volksschule zu arbeiten.

1901 wurde Paula Loeb fest angestellt, was zu dieser Zeit äußerst selten passierte. Dieser Erfolg führte dann sogar dazu, dass sie zur ersten weiblichen Konrektorin der Israelitischen Schule in der Lützowstraße und überhaupt in Köln gewählt wurde, was auch darauf schließen lässt, dass sie in ihrem Beruf ziemlich erfolgreich war, dass ihr solch etwas zuteil wurde. Neben ihrer Arbeit als Konrektorin war sie privat vor allem in jüdischen sozialen (Tafeln etc.) sowie politischen Bereichen aktiv. Privat engagierte sie sich ebenfalls in denselben Bereichen. Ebenfalls zählte sie als eine der ersten zur kleinen Gruppe aktiver Zionisten („Zionismus“ bezeichnet eine jüdische Nationalbewegung und nationalistische Ideologie, die auf einen jüdischen Nationalstaat in Palästina zielt) in Köln, welche sich dort seit 1890 verbreiteten. Sie meldete sich 1911 sogar für ein Deligiertenmandat auf einem Zionistenkongress, welcher zwei Jahre später stattfinden sollte. Zu dieser Zeit (1906) starb ihr Vater im Alter von 76 Jahren. Ihre Wohnsituation zu dieser Zeit ist ungeklärt.
Ab 1920 setzte sie sich dann vermehrt in ihrer Synagogengemeinde ein. Sie gründete mit Cilly Marx und einigen anderen Frauen ihrer Synagoge eine Gemeinschaft für Frauenrechte. Explizit trat sie ein für das Frauenwahlrecht innerhalb der Synagogengemeinschaft, da Frauen zu dieser Zeit von Wahlen jeglicher Art ausgeschlossen waren. Ihr Protest führte 1930, also ganze zehn Jahre später, dann zum Erfolg. Sie und Ihre Kollegin Cilly Marx wurden daraufhin als erste weibliche Mitglieder in Repräsentanz der Gemeinde gewählt. 1934 ging sie in den Ruhestand. Ob dies eine freiwillige Entscheidung war, ist zweifelhaft, da es zu dieser Zeit normal war, bis 65 als Lehrerin zu arbeiten. Wahrscheinlich ist deshalb, dass sie Opfer des „Gesetzes über die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ wurde, welches nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 7. April 1933 erlassen wurde. Es sollte zur Entlassung aller jüdischen Berufsbeamte aus ihren derzeitigen Jobs führen, im Zuge einer Zwangsversetzung in den Ruhestand. Lehrer an privaten jüdischen Schulen wie z.B. dem Realgymnasium Jawne waren nicht betroffen, Paula Loeb arbeitete aber an der städtischen jüdischen Volksschule.
Schon ab 1933 setze sich Paula Loeb vermehrt für die Rettung jüdischer Kinder und Jugendlicher ein. Sie betreute Gruppen von Kindern und Jugendlichen, die nach Palästina oder England flüchten mussten. Der Unterricht in Englisch sowie in Hebräisch wurde daraufhin intensiviert. Nach Ihrer Zwangsversetzung in den Ruhestand 1934 engagierte sie sich dann noch mehr und lehrte in einer Einrichtung namens „Vereinigung jüdisches Lehrhaus“, welche 1929 als frühe Reaktion auf den Nationalsozialismus in Deutschland gegründet worden war und zur Vorbereitung junger Leute auf die Auswanderung diente. Aufgrund Ihrer Qualitäten gehörte sie zum engeren Vorstand des Lehrhauses.

Paula Loeb blieben die Qualen und das Leiden der Deportation erspart. Sie starb am 18. Mai 1941 um acht Uhr im jüdischen Asyl Ehrenfeld (Ottostraße 85) im Alter von 65 Jahren an Gallengangkrebs. Da das Stadium Ihrer Krebserkrankung unbekannt ist, kann man davon ausgehen, dass die mangelnde Krankenversorgung für Juden, welche zu diesem Zeitpunkt kaum bis gar nicht mehr vorhanden war, für ihren Tod verantwortlich ist, und weniger dass sie eines „natürlichen“ Todes starb. Kurz vor dem Zeitpunkt Ihres Todes lebte sie mit ihrer Schwester Emmy Loeb in der Spichernstraße 30. Nachdem ihr Krebs jedoch akut lebensbedrohlich geworden war, zogen sie in das jüdische Asyl in Ehrenfeld um, wo sie dann auch letztendlich starb. Der dort angestellte Pförtner Jakob Mück meldete ihren Tod. Paula Loebs Schwester Emmy erlag einem schlimmeren Schicksal, sie wurde im Oktober 1941 nach Litzmannstadt deportiert und dort ermordet. Mehr ist über ihr Schicksal sowie über das der anderen Familienmitglieder nicht bekannt.

Zurück