Alice von der Heyden (geb. Tuteur)

von Monika Krizic und Sarah Stauber

Das erste Mal von Alice Tuteur erfahren haben wir, als wir uns eine kurze Biographie über sie durchgelesen haben aus Barbara Becker-Jáklis Buch „Der jüdische Friedhof Köln-Bocklemünd“, in welchem rund 100 Grabstätten vorgestellt werden sowie die dazugehörigen Lebensgeschichten. Allerdings war es Herr Erkelenz, der zuerst auf diese Biographie gestoßen ist und  uns darüber informiert hat, dass es sich bei Alice um eine ehemalige Schülerin der KLS handle.

 

Rechercheweg

Dieser Text aus Becker-Jáklis Buch hat uns geholfen, die ersten Eckdaten über das Leben von Alice Tuteur zu sammeln. Hinzu kommt aber auch noch, dass wir auf eine andere sehr wichtige Information gestoßen sind, welche unsere Recherche über Alice Tuteur bedeutend geprägt hat und uns beiden auch eine ganze neue Perspektive auf sie und ihr Leben eröffnet hat.

Alice Tuteur hatte zwei Kinder, von denen das jüngere, ihr Sohn Gunter Heyden, heute noch lebt. Durch Herrn Erkelenz, welcher die E-Mail-Adresse von Herrn Heyden ausfindig machen konnte, sind wir dann mit diesem per E-Mail in Kontakt getreten. Nachdem wir Herrn Heyden eine kurze E-Mail geschickt hatten, in der wir ihm unser Projekt, das Rekonstruieren des Schicksals seiner Mutter, vorgestellt sowie unser zukünftiges Vorhaben erläutert haben, waren wir beide überrascht, wie schnell uns Herr Heyden antwortete, aber auch insbesondere wie viel er uns von Anfang an anvertraute. In einer langen E-Mail hat uns Gunter Heyden das Schicksal seiner Mutter ausführlich geschildert, aber auch ihre Person sowie ihren Charakter, was das Interesse von uns beiden noch mehr geweckt hat. Vor allem ein Satz war von Stolz geprägt und gab uns einen ersten Eindruck davon, was für eine tolle Frau Alice gewesen sein muss: „I am very proud of my mother who fought against all odds and still made our lives happy whenever.“


Zudem ist uns beim Lesen seiner weiteren E-Mails auch aufgefallen, wie offen, positiv, engagiert und hilfsbereit Herr Heyden ist. Dieser erste Eindruck hat sich dann auch bei einem Treffen mit ihm und seiner Frau bestätigt. Herr Heyden erzählte uns viele lustige, schöne, aber auch zum Teil traurige Geschichten aus seinem Leben sowie dem seiner Mutter. So kam es dazu, dass wir nach einiger Zeit nicht mehr nur über Anhaltspunkte verfügten, sondern über eine Fülle an Informationen, über die wir uns dann zuerst einen groben Überblick verschaffen mussten. Zudem wurden wir uns mit der Zeit auch immer bewusster, wie wichtig unsere historische Arbeit ist, um dem Vergessen, dem Vergessen faszinierender und wundervoller Menschen wie Alice Tuteur, entgegenzuwirken. Insbesondere das gemeinsame Treffen hat auf uns einen bleibenden Eindruck hinterlassen, sodass wir anfingen, uns intensiver mit Alice Tuteurs Schicksal zu beschäftigen, aber auch häufiger darüber zu diskutieren und unsere Gedanken auszutauschen.


Nachdem wir nun so viele Informationen von Herrn Heyden erhalten hatten, fingen wir an, diese mit unseren Eckdaten aus Barbara Becker-Jáklis Buch zu vergleichen. Bei Google sowie bei Ancestry.de haben wir keine weiteren relevanten Informationen gefunden.

Dafür hat uns aber Herr Heyden zahlreiche Briefe seiner Mutter sowie weiterer wichtiger Familienmitglieder zur Verfügung gestellt, welche wir dann anfangs zuerst aufgrund der altdeutschen Schrift „entziffern“ mussten. Genau wie die E-Mails von Herrn Heyden haben auch die Briefe uns emotional berührt, da sie uns einen Einblick in die Gefühlswelt und die Situation der Menschen von damals gegeben haben. Des Weiteren haben wir dann auch in Adressbüchern aus mehreren Jahren nachgeschaut und sind dort auch auf die Adresse von Alice und ihrer Familie gestoßen. Zudem war Sarah auch im NS-Dokumentationszentrum und hat dort nach weiteren Dokumenten von Alice gesucht.

Zu guter Letzt waren wir noch im Landesarchiv NRW in Duisburg, um einen Einblick in die Wiedergutmachungsakte von Alice Tuteur zu erhalten (Gerichte Rep 266 Nr. 7134).
Durch diese Recherchen und Forschungen erhoffen wir uns nun, eine möglichst genaue Biographie über Alice Tuteur verfassen zu können, die sie als den Menschen widerspiegelt, der sie war.

Biographie

Alice Tuteur wurde am 23. September 1897 als Tochter einer Kaufmannsfamilie in Antwerpen geboren. Ihre Eltern waren Albert und Hedwig Tuteur (geb. Weinberg). Albert Tuteur betrieb mit seinem Bruder Julius Tuteur eine Getreidehandlung in Antwerpen. Hedwigs Eltern zogen Ende des 19. Jahrhunderts nach Antwerpen, wo sie und Albert sich kennenlernten. Die beiden vermählten sich in Mannheim und lebten zunächst gemeinsam in Antwerpen.

Alice Tuteur (1943)
Alice Tuteur (1943)

Um die Jahrhundertwende herum zog die Familie nach Köln; das erste Mal tauchen sie 1911 und 1913 in den Adressbüchern auf. In Köln lebte die Familie in guten Verhältnissen. Ihre erste Wohnung in der Blumenthalstraße befand sich in einer Wohngegend gutbürgerlicher Bevölkerung. Alices Familie war zwar jüdischen Glaubens, aber dieser bestand mehr aus Tradition als aus strikten Regeln und Bräuchen. Sie gehörten zu den liberalen Juden und feierten nur die höchsten jüdischen Feiertage. Alice selbst soll einmal gesagt haben: „Christen, Juden und sogar afrikanische Buschmänner glauben an den gleichen Gott!“

Blumenthalstraße 10/12
Blumenthalstraße 10/12

Alices Vater verdiente sein Geld mit Zigarren- und Tabakhandel. In den ersten Jahren in Köln widmete sich Albert dem Verkauf von Rohtabaken. Ab 1918 besaß er drei Zigarrenhandelsgeschäfte in der Innenstadt, Mühlheim und Kalk. Die Wohnung, in die sie zwischenzeitlich gezogen waren, lag am Karolingerring. 1920 hatte sich sein Geschäft auf eine Fabrik und fünf Geschäfte ausgeweitet und die Familie bewohnte eine Wohnung in einem der nobelsten Viertel der Stadt am Deutschen Ring.

Deutscher Ring (bzw. Ebertplatz und Neusser Str.)
Deutscher Ring (bzw. Ebertplatz und Neusser Str.)

Der Familie ging es finanziell sehr gut. Zu ihrem Haushalt gehörten ein Chauffeur, ein Zimmermädchen und ein Koch, die die Familie und die Wohnung versorgten. Vom Koch lernte Alice das Kochen, was sie später zu einer wunderbaren Köchin für ihre eigene Familie machte. Die finanzielle Sicherheit der Familie gab Alice die Möglichkeit, die höhere Schule zu besuchen, genauer gesagt die Königin-Luise-Schule. Dies war damals ein Privileg, welches nicht vielen Mädchen ermöglicht wurde.
Sie war eine sehr intelligente und lernfreudige Frau, mit einer hervorragenden schulischen Ausbildung, zu der sogar das Erlernen der französischen Sprache gehörte. Nachdem sie ca. 1916/17 ihr Abitur abgelegt hatte, arbeitete sie in der Firma ihres Vaters. Über den Berater ihres Vaters, Fritz von der Heyden, lernte Alice dessen Bruder Hans von der Heyden (1893-1950) kennen. Hans war ein Veteran des Ersten Weltkrieges, der seine Bankierausbildung hatte abbrechen müssen und froh war, bei Albert Tuteur eine Anstellung zu finden. Die Familie von der Heyden war nicht-jüdischer Herkunft und christlichen Glaubens.
1922 heirateten Alice und Hans. 1924 wurde die gemeinsame Tochter Sylvia Inez von der Heyden geboren.

Alice (rechts) mit ihren Eltern Albert und Hedwig Tuteur (links), Sylvia und einer NannyAlice (rechts) mit ihren Eltern Albert und Hedwig Tuteur (links), Sylvia und einer Nanny

In den Jahren darauf verschlechterte sich die finanzielle Situation der Familie. 1926 besaß Albert Tuteur nur noch zwei Verkaufsstellen, ihre Wohnung lag allerdings weiterhin in einer recht gehobenen Gegend. Im Jahr darauf verloren sie einen weiteren Laden und 1928 standen sie ganz ohne Geschäft da. Diese wirtschaftliche Lage wurde durch die Weltwirtschaftskrise 1929/30 noch weiter verschärft. Außerdem erlitt die Familie 1927 einen schweren Schicksalsschlag, als Alices Mutter an der Krankheit Tuberkulose verstarb.
Im Jahr darauf, 1928, wurde das zweite Kind, Kurt Gunter von der Heyden, geboren. Zu dessen Geburt soll seine Schwester gesagt haben: „Schick‘ ihn zurück, er hat keine Zähne“.

Sylvia und Gunter von der Heyden (1943)
Sylvia und Gunter von der Heyden (1943)

Nach dem Tod seiner Frau ließ Albert Tuteur sich mit anderen Frauen ein. Als er eine von ihnen, Bertha Bieler, schwängerte, suchte er sich Rat bei Alice. Alice zwang ihren Vater dazu, Bertha zu heiraten. Sie machte ihn für die Schwangerschaft verantwortlich und machte deutlich, dass er sich darum kümmern müsse. Also heirateten Albert und Bertha, und im April 1933 wurde Helga geboren, Alices 36 Jahre jüngere Halbschwester. Die Ehe von Albert und Bertha war schrecklich. Bertha hasste Juden und beschimpfte und schlug Albert, was diesem schwer zu schaffen machte.
Auch für Alices kleine Familie begannen 1932 große Probleme, als Hans die Familie verließ und nach Berlin zog. Zwei Jahre später folgte die offizielle Scheidung und Hans heiratete erneut, die Schauspielerin Lucie Millowitsch-Trebbau. Erst zwei Jahre später sahen die Kinder ihren Vater das erste Mal wieder.
Die Jahre nach 1932 waren schwer für die junge Familie. Alice setzte alles daran, ihre Kinder zu versorgen und ihnen ein möglichst sicheres Leben zu ermöglichen. Alice arbeitete hart und nahm viele kleine Gelegenheitsjobs an, um sich und die Kinder über die Runden zu bekommen. Sie verkaufte alles, was wertvoll war, um sich so gut wie möglich um sich und ihre Kinder zu kümmern. In diesen Jahren, in denen finanzielle Probleme und das Naziregime der Familie mehr und mehr zu schaffen machten, wird besonders deutlich, was für eine starke und mutige Frau Alice gewesen sein muss. Außerdem muss sie unglaublich willensstark gewesen sein, um diese Jahre alleine zu überstehen und nicht aufzugeben.
Etwas finanzielle Unterstützung bekam sie von ihrer Tante Käthe Löbinger, einer Schwester ihrer Mutter, die mit Kurt Löbinger, dem Direktor der AEG, verheiratet war. Käthe Löbinger verstand allerdings nicht viel von Armut, was diese Unterstützung oft unangenehm machte.
Da Alice selbst nicht streng nach jüdischem Glauben erzogen worden war, erzog sie auch ihre Kinder nicht religiös. Dies gab ihr die Möglichkeit, Gunter in einen Kindergarten zu schicken, der von katholischen Nonnen geleitet wurde. Der Priester des Kindergartens, Priester Temming, riet Alice 1934 dazu, die beiden Kinder taufen zu lassen. Er wollte sie damit vor den Nazis und vor allem vor den kurz darauf erlassenen Nürnberger Gesetzen schützen, die eine juristische Legitimation für die Verfolgung der Juden schaffen sollten. Diesem Rat folgte Alice und so wurden Gunter und Sylvia beide in der St. Michael-Kirche getauft. Alice setzte viel daran, dass die beiden alles über den Katholizismus lernten und jeden Sonntag in die Kirche gingen. All das diente dazu, die beiden zu schützen.St. Michael-Kirche (1906)St. Michael-Kirche (1906)

Erst ab 1939, nachdem Hans ein drittes Mal geheiratet hatte, und zwar Gerti Windten, die Kontakt zu Alice und den Kindern suchte, bekam Alice endlich finanzielle Unterstützung von ihrem Ex-Mann.
In dieser Zeit zog die Familie oft um. Ihre Wege führten von der Bismarckstraße über die Utrechter Straße 6 hin zur Luetzow-Straße 41. Die meiste und wichtigste Zeit verbrachten sie allerdings in der Wittekindstraße 6. Die Wohnung hatte fünf Zimmer und war so groß, dass sie einige Teile untervermieteten. Das Haus gehörte Max Nethe, einem jüdischen Installateur und Dachdeckermeister. Seine Familie mit seiner Frau Änne und seinen Söhnen Rudolf und Alfred war mit Alice befreundet.Ecke Wittekindstraße (1930)Ecke Wittekindstraße (1930)

In der Wittekindstraße verbrachte die Familie einen Großteil der Zeit und von dort gibt es am meisten zu berichten. Einer ihrer Untermieter war ein jüdischer Rechtsanwalt, Dr. Willy Dreier, der seinen Beruf nicht mehr ausüben durfte. Er war ein Veteran aus dem Ersten Weltkrieg, der sogar mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden war, und ein intelligenter Mann. Ein anderer Untermieter war Martin Kaufmann, er war Musiker und spielte Geige. Oft spielte er auch gemeinsam mit Gunter, der die Mundharmonika beherrschte.
Außerdem gab es im Haus ein Pärchen namens Lenny und Max Janssen, die den Juden loyal gegenüber waren. Oft hörte Alices Familie heimlich mit ihnen BBC im Radio, allerdings musste dafür immer jemand Wache stehen. Ihre Loyalität bewiesen sie vor allem bei einem Bombenangriff auf die Stadt, bei dem sich alle Bewohner in einem von Max Nethe erbauten Bunker verschanzten. Einer der Bewohner, der ebenfalls Kaufmann hieß und mit den Nazis mehr als sympathisierte, verlangte während des Angriffs, dass Alice und ihre Kinder den Bunker verlassen sollten, weil er nicht bereit war, die Luft einzuatmen, die eine Jüdin ausatmete. Als Alice daraufhin mit ihren Kindern den Bunker verließ, folgten Max und Lenny Janssen ihnen und sie verbrachten den Rest des Angriffs gemeinsam im Haus. Später wurde es Juden auch gesetzlich untersagt, sich bei Bombenangriffen in Bunkern zu verstecken. Oft kuschelte sich die Familie deshalb zusammen in ein Bett, um wenigstens zusammen zu sterben, falls es soweit kommen sollte.
Doch zwischen Alice und Herrn Kaufmann kam es zu weiteren Vorfällen. Als die Gesetze gegen Juden immer strenger wurden, nutze Herr Kaufmann jede Gelegenheit, um Alice Verstöße vorzuwerfen oder zu melden. Als 1939 das Gesetzt beschlossen wurde, dass Juden keine Radios mehr besitzen durften, gab auch Alice ihr Radio an das Pärchen Janssen. Als Herr Kaufmann dann trotzdem Musik aus der Wohnung hörte, rief er sofort die Gestapo; dass es sich dabei um das Grammophon von Sylvia handelte, interessierte ihn nicht. Die Gestapo durchsuchte daraufhin die ganze Wohnung der Familie und fand zum Schluss eine vergessene Zimmerantenne, die sofort entfernt werden musste.
Ein weiteres Gesetzt legte genau fest, um wie viel Uhr Juden zu Hause sein mussten. Als sich Alice an einem Abend verspätete, sorgte Kaufmann dafür, dass Alice festgenommen wurde und einige Zeit im Klingelpütz-Gefängnis verbringen musste. Ihre Kinder waren in der Zeit zum Glück in Berlin bei ihrem Vater.
Es gab aber auch viele schöne Momente, die die Familie dort vor allem mit ihrem durchaus großen Freundeskreis erlebte. Fast jeden Freitag lud Alice Freunde und Bekannte zum Baden ein und danach gab es immer Kaffee und selbst gebackenen Kuchen. An solchen Tagen wurde immer viel gelacht und geredet. In dieser Zeit hatte Alice einen Partner, Willy Götzer, er war Ingenieur und die Vaterfigur für Gunter. Als Alice für Willy Götzer eine Wohnung suchte, traf sie auf eine ältere Dame, die ihr ihre Wohnung zeigte. Als Alice nach dem Bad fragte, fragte die Dame, ob es denn für einen jüdischen Herrn sei. Alice bejahte dies und die Dame antwortete „dann kann er baden“. Dieser Wortwechsel wurde zum Running-Gag beim freitäglichen Baden.
Ab 1941 verlor die Familie Freunde und Bekannte, die deportiert und getötet wurden. Die Nationalsozialisten teilten die jüdische Bevölkerung in verschiedene „Kategorien“ ein, die zum Beispiel darauf basierten, wie viele Vorfahren jüdischen Glaubens waren. Alice war "Volljüdin", ihre Kinder wurden als Mischlinge 1. Grades kategorisiert und daher zunächst verschont. Mit dem Begriff „Mischlinge 1. Grades“ bezeichneten die Nationalsozialisten Menschen, die zwei jüdische Großeltern hatten.
Willy Götzer war eines der Opfer, er wurde vom Deutzer Bahnhof deportiert, wo Gunter seinen letzten Kuss durch den Stacheldrahtzaun bekam. Bis heute noch kann Gunter Heyden die Deutzer Messe nicht anschauen, ohne an diesen schrecklichen Tag erinnert zu werden. Willy Götzer wurde nach Lodz deportiert, wo er am 17. Mai 1943 ermordet wurde.
Auch die Familie Nethe wurde verschleppt und getötet. Alice und ihre Kinder halfen ihnen packen. Keiner wusste genau, was ihnen bevorstand, und Alfred nahm sogar sein geliebtes Akkordeon mit. Alle vier wurden nach Riga transportiert. Änne Nethe wurde bereits am 30. September 1944 ermordet. Ihr Mann Max Nethe und ihre Söhne Alfred und Rudolf Nethe am 04. April 1945. Die Nethe-Familie muss eine sehr musikalische Familie gewesen sein, die Alices Familie sehr nahe gestanden hat. Alfred und Rudolf Nethe waren je ein Jahr älter als Sylvia und Gunter. Gunter hatte immer geglaubt, dass Alfred, der Ältere, in seine Schwester verliebt sei, doch im Poesiealbum von Sylvia stellte sich heraus, dass es Rudolf war, der sich in Sylvia verliebt hatte. Dieser Eintrag ist womöglich eines der letzten Zeugnisse von Rudolf Nethe. Es sind die Worte eines verliebten Jungen, der sich eine Zukunft ausmalte, die ihm kurz darauf gewaltsam entrissen wurde.
Dr. Wilhelm (Willy) Dreier und Martin Kaufmann, die beiden Untermieter der Familie, wurden ebenfalls deportiert und getötet. Dr. Dreier verschleppte man 1942 nach Theresienstadt. Ermordet wurde er in Auschwitz, wann genau ist jedoch unklar. Martin Kaufmann wurde nach Riga gebracht; wann und wie er verstarb, ist ebenfalls unklar.
1942 verstarb Alices Vater, bevor er in ein Lager deportiert werden konnte. Sein Bruder Julius wurde 1942 verschleppt und in Auschwitz ermordet.
Als Jugendlicher half Gunter deshalb Geld zu verdienen, indem er in Ehrenfeld bei Gold-Rad arbeitete. Er mochte diesen Job nicht besonders und es war anstrengend, jeden Tag mit dem Fahrrad von zu Hause bis nach Ehrenfeld zu fahren.
Alice fand einen neuen Partner, Dr. Salomon Feldheim, ein verwitweter jüdischer Arzt, der nur noch jüdische Patienten behandeln durfte. Er hatte zwei Töchter; die Jüngere war bereits 1939 in die Niederlande geflohen. Seine ältere Tochter Anneliese lebte bei ihm. Sie war Künstlerin und bemalte Porzellangegenstände aller Art. Sie war sehr begabt. Alice und Dr. Feldheim führten eine sehr innige Beziehung und sie liebte ihn sehr. Gunter hingegen hasste den neuen Partner seiner Mutter: er war ein sehr rebellischer Junge und hatte es seiner Mutter nicht immer leicht gemacht. Deshalb kam er auch mit der Autorität, die Feldheim ausstrahlte, nicht immer klar. Einmal kam es dazu, dass Dr. Feldheim Gunter Vitamintabletten verschreiben wollte, weil Gunter so klein war. Als er sich weigerte, schlug Hans Feldheim ihn, was Gunter nur noch wütender machte.

Dr. Hans Salomon Feldheim (1938)
Dr. Hans Salomon Feldheim (1938)

1944 wurde die Wittekindstraße radikal arisiert, d.h. es musste Platz gemacht werden für NSDAP-Anhänger und Parteigenossen, dies wurde vor allem von Herrn Kaufmann durchgesetzt. Die Familie wurde aus ihrer Wohnung vertrieben, weshalb sie mit Dr. Feldheim zusammenzog, was für Gunter eine Katastrophe darstellte. Ihre neue Wohnung war in der Kamekestraße und deutlich kleiner als zuvor, weshalb Alice einige Möbel bei Tante Marga, der Mutter von Gunters bestem Freund Hans-Georg Braun, unterbrachte. Marga Braun hatte zunächst einen Wäschesalon auf der Moltkestraße und später war sie Besitzerin eines Nachtclubs. Sie und Alice waren gut befreundet, auch wenn sie zwei sehr unterschiedliche Frauen waren. Einmal schwärmten die beiden Frauen von ihren Traumautos. Bei Alice wäre dies ein silbergrauer Mercedes gewesen und bei Marga ein puderblauer Cadillac.
Als das Haus in der Kamekestraße von einer Bombe getroffen wurde, waren beide Familien mit einem Schlag obdachlos. Gemeinsam fanden sie Unterschlupf im „Lehrlingsheim“ in der Utrechterstr. 6. Es handelte sich um ein Notfall-„Krankenhaus“ für Juden, die noch nicht bereit für die Deportation waren. Dr. Feldheim und Alice halfen und kümmerten sich um die Leute. Oft versuchten sie, die Deportation von Patienten zu verzögern, indem sie behaupteten, die Leute wären noch immer krank.
Irgendwann schaffte Gunter es über Freunde eine Wohnung in der Munstereiflerstraße aufzutreiben und sie hatten nach Ewigkeiten das erste Mal wieder ein heißes Bad.
Im Herbst 1944 veränderte sich ihre Situation schlagartig, als die Aufforderung kam, sich im Fort V in Müngersdorf zur Deportation einzufinden. Doch dieser Aufforderung Folge zu leisten hatte keiner vor. Alice sorgte dafür, dass ihre Kinder bei Freunden unterkamen. Sylvia kam bei einer Schulfreundin, Rita Gilsbach, unter, deren Vater ein Gegner der Nationalsozialisten war und sogar seine jüdische Lebensgefährtin vor dem Konzentrationslager bewahrte. Gunter wurde bei Tante Marga versteckt, deren jüdischer Mann Hermann Braun deportiert und getötet wurde. Alice selbst fand Unterschlupf über den Gemüseverkäufer an der Straßenecke, der sie auf einen Bauernhof in Bad Godesberg brachte. Auch Dr. Feldheim und seine Tochter konnten bei Bekannten zunächst untertauchen. Die Situation veränderte sich allerdings recht schnell. Alices Ex-Mann, Hans von der Heyden, lebte in Berlin unter einer noblen Adresse. Da seine Kinder seinen Nachnamen trugen, war es für ihn kein Problem, den beiden Zugtickets nach Berlin zu besorgen und sie ohne Probleme zu sich in Sicherheit zu bringen. Für Alice selbst wurde es immer gefährlicher. Durch ihren Aufenthalt brachte sie die Bauern in Gefahr und entschied sich, zu einem Bruder von Hans, Eugen von der Heyden, zu gehen, der in Köln-Braunsfeld am Militärring 66 lebte.
Was genau in dieser Zeit passierte und wie Alice sich gefühlt haben muss, konnten wir hauptsächlich aus dem Briefwechsel schließen, den sie mit ihrer Tochter Sylvia, unter dem Pseudonym Erika, führte. Daraus geht hervor, dass sich Alice große Sorgen um ihre Kinder machte. Sie berichtet von ihrem Versteck, in dem sie Socken stopft und Ordnung hält, um ihren Teil beizutragen und wofür sie drei kleine Mahlzeiten bekommt. Sie schreibt darüber, dass es nicht immer leicht für sie sei, aber dass sie versucht, das Beste daraus zu machen. Auch erzählt sie Sylvia von Onkel Eugen, der mit ihr durch dick und dünn geht und immer bemüht sei, alles positiv zu sehen.
Vor allem aber spricht die Sorge aus ihr. Sie verlangt von Sylvia eine positive Einstellung und gibt ihr mütterliche Tipps zu Arzneimitteln, die Sylvia helfen sollen. Außerdem vergewissert sie sich, dass Sylvia sich um ihren kleinen Bruder Gunter kümmert.
Am 10.09.1944 verfasste Dr. Feldheim einen Abschiedsbrief an Alice. In dem schrieb er, dass die Situation für ihre Bekannten, bei denen sie sich versteckten, zu gefährlich geworden war, da sie mit anonymen Schreiben bedroht wurden. Er schrieb, dass er und Anneliese sich dafür entschieden hätten, in den Freitod zu gehen. Er sagte, dass sie immer frei gewesen seien und dass er das auch bis zum Schluss bleiben wolle. Außerdem unterstrich er seine Liebe zu Alice und forderte sie auf durchzuhalten oder ihm zu folgen. Ende September, am 28.09.1944, nahmen sich Dr. Hans Salomon Feldheim und seine Tochter Anneliese Feldheim auf einer einsamen Bahnhofsbank das Leben. Dieser Verlust hinterließ bei Alice tiefe Wunden. In ihrem Brief an Sylvia schrieb sie von einer unendlichen Trauer, die sie erfülle. Dennoch forderte sie Sylvia auf durchzuhalten, da sie selbst das gleiche tun würde. In ihrem Brief sprach Alice von einem „festen Willen“ durchzuhalten, den sie hätte.
In ihrem Brief vom 29.10.1944 berichtete Alice ihrer Tochter von den vielen Luftangriffen, die sie durchstehen musste. Sie gab zu, dass sie sich manchmal vorstelle, wie es wäre aufzuwachen und alles wäre vorbei. Sie wusste, dass diese Träumereien nichts bringen, aber sie hoffte trotzdem ihre Kinder wiederzusehen. In diesen Briefen erkennt man die Hoffnung und den tiefen Wunsch danach, ihre Kinder gesund wiederzusehen und wieder mit ihnen zusammen zu sein. Dennoch fragte sie sich auch: „Wie lange soll dieses grässliche Dasein noch dauern?“ Sie berichtet, dass sie sich die Zeit mit Lesen von englischen Büchern vertreibe, da ihr das Lesen und das Lernen der Sprache gut tue. Auch plage sie oft Hunger, da das Essen knapp sei.

Zwölf Tage, nachdem sie ihrer Tochter geschrieben hatte, dass sie den festen Willen habe durchzuhalten, am 8. November 1944, ging auch Alice in den Freitod. Aus den Wiedergutmachungsakten ging hervor, dass eine Nachbarin von Eugen, Änne Schröde, Alice gedroht hatte, sie an die Gestapo zu verraten. Da Alice die restlichen Bewohner des Hauses schützen wollte, verließ sie Eugens Wohnung und ging in die Wohnung von Eugens Ex-Frau in der Händelstraße 47. Dort nahm sie zwei Röhrchen von Veronal-Tabletten. Tabletten, die eigentlich zur Beruhigung von Epileptikern dienen. Diese Tabletten hatte sie sich schon längere Zeit zuvor besorgt und seitdem ständig bei sich getragen, versteckt in ihrem Strumpfhalter. So wollte sie sichergehen, immer die Entscheidung über ihr eigenes Leben in der Hand zu haben und nicht von einem Deportationsbefehl überrascht zu werden und allem Weiteren hilflos ausgeliefert zu sein.
Vor allem waren aber wahrscheinlich der Druck, die Angst und die Verzweiflung, die sie erleiden musste, Gründe für ihre Entscheidung. Außerdem schien sie sich Vorwürfe gemacht zu haben, da sie in einem Brief schrieb, dass sie glaube, sie hätte verhindern können, dass Feldheim und seine Tochter in den Tod gezwungen wurden, wenn sie anders gehandelt hätte. Wie verzweifelt sie gewesen sein muss, sieht man daran, dass sie sich auch vom Gedanken an ihre beiden Kinder nicht abhalten ließ - auch wenn sie wusste, dass beide sich in größtmöglicher Sicherheit befanden.
Was sie aber am Ende genau dazu bewegte, kann man nur schwer sagen. Sie verfasste Abschiedsbriefe, die allerdings an die Polizei gingen und deren Spuren sich danach verlieren. Weder das Landes- noch das Bundesarchiv, die Polizei oder die Staatsanwaltschaft haben Kenntnisse über diese Briefe.
Sie war eine Frau mit Träumen. Sie wollte Dr. Hans Feldheim nach dem Krieg heiraten und ein normales Leben mit ihm und ihren Kindern führen. Dieser Traum wurde ihr von den Nazis gestohlen, genau so wie ihr Leben.
Um ihre Beerdigung kümmerte sich Eugen von der Heyden. Er setzte seinen Bruder Hans von der Heyden über ihren Tod in Kenntnis und bat ihn, nach Köln zu kommen, um sich um Alices Nachlass zu kümmern. Außerdem bat er ihn, den Kindern die Nachricht schonend beizubringen. Eugen schrieb über Alice: „Alice war ein wertvoller Mensch, eine deutsche Frau, die stets nur deutsch gedacht und gehandelt hat, gab Sie doch Alles, was Sie geben konnte, an totalfliegergeschädigte Leute – leider war Sie eine Jüdin.“
Alices Leiche wurde zunächst auf dem Westfriedhof aufgebahrt und von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt, da die Kriminalpolizei ihre Leiche aufgrund des Selbstmordes erst untersuchen wollte. Wann genau die Beerdigung stattfand ist unklar, da es einen Mangel an Särgen gab, der die Beerdigung verzögerte.
Klar ist nur, dass Eugen dafür sorgte, dass Alice auf dem jüdischen Friedhof in Bocklemünd beerdigt wurde und dass ihm die Stelle des Grabes gezeigt wurde.
Sylvia und Gunter konnten bei der Beerdigung nicht dabei sein und sie kannten auch niemanden, der es war. Über Onkel Eugen erfuhr Sylvia dennoch, wo genau das Grab ihrer Mutter lag. Nach dem Krieg fand man allerdings keine Aufzeichnungen mehr, die den Ort der Grabstätte bestätigen konnten. Aus dem Grund musste Sylvia das Grab ihrer Mutter öffnen lassen. Neben Alices Körper wurden im Grab noch zwei weitere Körper gefunden, die zweier Kinder, von denen keiner weiß, wer sie waren und was ihnen widerfahren ist. Der Grund dafür, dass sie mit Alice gemeinsam begraben wurden, wird der sein, dass es einen Sargmangel gab, weshalb man mehrere Menschen gemeinsam begrub. Alice hätte bestimmt kein Problem damit gehabt, auch ihre letzte Ruhestätte zu teilen, denn sie muss ein unglaublich hilfsbereiter und freundlicher Mensch gewesen sein.
Sie war eine Frau, die für sich und ihre Kinder gekämpft und, wann immer sie konnte, geholfen hat. Alice war eine Frau mit unglaublichem Mut und unglaublicher Stärke, die alles daran gesetzt hat, ihre Kinder zu beschützen und zu retten, und das hat sie geschafft; und diesen Sieg über die Nazis kann ihr auch keiner mehr nehmen. Denn ihre Kinder schafften es, sich nach dem Krieg ein neues Leben aufzubauen. Beide gründeten ihre eigenen Familien und blieben stets in Kontakt. Sylvia verstarb 2013 mir 89 Jahren und ihr Bruder Gunter lebt heute noch in London, Remscheid und Antigua. An Alices Kindern, die beide ihr Leben trotz all den Erlebnissen gelebt haben und immer noch leben, kann man besonders Alices Stärke und Mut sehen. Aber auch ihren Humor, ihre positive Einstellung zum Leben und ihre Freundlichkeit kann man heute noch in ihrem Sohn sehen. Denn auch er hat trotz all dieser schrecklichen Erlebnissen und Schicksalsschlägen nie aufgehört zu lachen!

Wiedergutmachungs-Prozess

Im Jahr 1957 verpflichtete sich die Bundesrepublik mit dem Bundesrückerstattungsgesetz zum Schadensersatz von Raubaktionen, welche von NS-Instanzen begangen worden waren. Dies betraf vor allem die Vergehen an der jüdischen Bevölkerung.
Am 1.12.1958 stellten auch Alices Kinder, Sylvia und Gunter, den Antrag auf Wiedergutmachung.
Da Gunter zu diesem Zeitpunkt bereits in England lebte, sorgte er dafür, dass seine Schwester Sylvia eine Vollmacht für diesen Prozess bekam.
Mit dem Antrag verlangten die Geschwister Entschädigung für einige entwendete Gegenstände. Zum einen ging es dabei um einen Fotoapparat und ein Radio, welche der Familie im Zuge der NS-Gesetzgebung von der Gestapo in Köln ohne Entgeltung entwendet worden waren.
Der Fokus lag aber viel mehr auf den Wertgegenständen, die nach Alices Tod von der Gestapo beschlagnahmt worden waren. Es handelte sich hierbei um eine Brillant-Armbanduhr, eine Brillant-Brosche und einen Nerzmantel, die einzigen Wertgegenstände, die Alice zu ihrem Todeszeitpunkt noch besaß.
Insbesondere der Nerzmantel hatte für Alice eine besondere Bedeutung, da es sich bei diesem um ein Geschenk ihrer Tante Käthe Löbinger aus dem Jahre 1938 handelte. Alice musste den Mantel ab 1942 aus Gründen der Tarnung mit dem Fell nach innen tragen, da der jüdischen Bevölkerung auch das Besitzen von Pelzen untersagt wurde.
Sylvia verwies beim Antrag auf Rückerstattung auf die Entziehungsakten der Gestapo, die nach ihrer Aussage dem Wiedergutmachungsamt hätten vorliegen sollen.
Die Rückerstattung wurde zunächst nicht anerkannt und offiziell am 20. Juni 1961 für beendet erklärt.
Daraufhin verklagte Sylvia im Februar 1962 die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs und zog vor Gericht. Ihr Rechtsanwalt Dr. H. Morgenstern reichte die Klage sowohl bei dem Landesgericht als auch bei der Wiedergutmachungskammer ein. Zwischen diesen Institutionen herrschte ein reger Aktenaustausch, der einige Streitigkeiten zur Folge hatte.
Am 12. März 1962 kam es schließlich zur ersten mündlichen Verhandlung in der sogenannten Rückerstattungssache. Geleitet wurde der Prozess von Richter Cossmann.
Dort leistete Sylvia einen Eid, in dem sie beteuerte, dass ihre Mutter die Wertgegenstände, als sie sie im Herbst 1944 zuletzt gesehen hatte, noch besessen habe.
Des Weiteren beteuerte sie, dass ihr Onkel, Eugen von der Heyden, ihr nach Alices Tod berichtet habe, dass er die Wertgegenstände bei Alice zwar gefunden habe, diese jedoch von der Gestapo mit Alices Leichnam zusammen beschlagnahmt wurden. Eugen habe ihr erzählt, dass Alice den Schmuck ordentlich neben die Abschiedsbriefe und den Mantel über einen Stuhl gelegt habe.
Ein weiterer Beweis, den Sylvia dafür vorlegte, war ein Brief des Oberfinanzpräsidenten aus Marburg, den Eugen am 22.12.1944 erhalten hatte. In diesem Brief hieß es, dass weder Eugen die Verwaltung über Alices Vermögen gestattet werden würde, noch ihrem Ex-Mann, Hans von der Heyden, oder den beiden Kindern. Der Grund hierfür war, dass sie eine gesuchte Jüdin war und ihr Vermögen deshalb dem deutschen Volke zu Gute kommen sollte.
Um Sylvias Eid zu stützen wurde außerdem Henriette (Rita) Sürmont (geb. Gilsbach) als Zeugin in diesem Prozess vorgeladen, da sie sowohl mit Alice als auch später mit Eugen in Kontakt stand. Am 07. Mai 1962 bestätigte sie Sylvias Aussage vor Gericht.
Zwei Monate später, am 04. Juli 1962, wurden Sylvia 6.200 DM Schadenersatz zugesprochen, da das Gericht entschied, dass die Gegenstände ungerechtfertigt entwendet wurden. Sylvias geschätzter Wert lag allerdings bei einer Höhe von 8.560 DM. Der Grund dafür war, dass das Gericht vor allem den Mantel, auf Grund seines Alters und seiner ungewöhnlichen Tragweise, preislich deutlich niedriger einschätzte.

Die Erinnerung

Ihr Grabstein bzw. der Gedenkstein, der 50 Jahre nach Alice Tuteurs Tod von ihren Kindern aufgestellt wurde, beinhaltet folgenden Text:

„Eine mutige und selbstlose Frau, eine Jüdin, die vielen anderen in trübsten Zeiten der Nazigewaltherrschaft mit Rat und Tat geholfen hat. Durch Denunziation und Verzweiflung wurde sie in den Tod getrieben. Dieser Gedenkstein, 50 Jahre später erstellt, soll Zeuge dessen sein, dass wir immer noch um unsere Mutter trauern. Alice, Du warst unser Liebstes und sollst nie vergessen sein. Sylvia und Gunter.“

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